Hallux valgus

 

Für den Hallux valgus gibt es viele Bezeichnungen, z.B. Überbein, Ballenzeh, Frostballen oder Schiefzehe. Sie alle beschreiben die gleiche Fehlstellung, bei welcher die Großzehe aus der Reihe tanzt und im Laufe der Zeit zu zahlreichen Beschwerden führt.

Beim Hallux valgus handelt es sich um die häufigste Fehlstellung des Vorfußes und der Zehen. Während bei einem gesunden Fuß die Zehenknochen gerade ausgerichtet sind, neigt sich bei einem Hallux valgus das Grundgelenk der Großzehe nach außen. Durch diese Abspreizung des ersten Mittelfußknochens wird der Fuß breiter. An seiner Innenseite wird eine mehr oder weniger große und charakteristische Wölbung am Großzehengrundgelenk sichtbar. Unbehandelt verändert die Großzehe zunehmend ihre Ausrichtung und schiebt sich über oder unter die Kleinzehen. Sie verdrängt diese aus ihrer natürlichen Position, was zu weiteren Fußdeformitäten führt.

 

Beschwerden

Unbehandelt kann die Fehlstellung die gesamte Biomechanik des Fußes verändern und zu weiteren Erkrankungen und Fehlstellungen führen (z.B. Krallen- und Hammerzehen).

Durch die Fehlstellung wird das Großzehengrundgelenk überlastet, was vorzeitigen Gelenkverschleiß fördert. Die kleineren Zehen werden verdrängt und in ihrer Funktion gestört. Mit zunehmendem Verlauf wird die aktive Beweglichkeit der Großzehe immer mehr eingeschränkt, bis hin zur Versteifung. Da die Großzehe nicht mehr so eingesetzt wird wie bei einem gesunden Fuß, werden die kleineren Zehen überlastet. Es kommt zu Schmerzen, Rötungen, Schwellungen und Schwielenbildung.

Ein fortgeschrittener Hallux führt beim Gehen zu schmerzhaften Entzündungen des Zehenballens, da dieser beim Gehen unangenehm gegen die Schuhe reibt, was schließlich auch zu Entzündungen der Weichteile im Bereich des Gelenks führen kann. In diesem Stadium macht sich die Fehlstellung in vielen Alltagssituationen und beim Sport schmerzhaft bemerkbar. Betroffene haben Probleme geeignete Schuhe zu finden, zudem kommt es zu einer charakteristischen Veränderung des natürlichen Abrollverhaltens und des Gangbilds.

Beschwerden/Folgen: Bildung eines vergrößerten Ballens am Großzehengrundgelenk, Rötungen, Schwellungen, Schwielenbildung, Entzündungen, Verdrängung und Überlastung der kleineren Zehen, Überlastung des Großzehengrundgelenks, vorzeitiger Gelenkverschleiß, eingeschränkte Beweglichkeit der Großzehe, Veränderung des Gangbilds, schlechtere Balance beim Gehen

 

Ursachen

Ein Hallux valgus ist multifaktoriell bedingt. In beinahe allen Fällen liegt eine gewisse erbliche Vorbelastung vor, außerdem fördern enge und geschlossene Schuhe die Entwicklung der Fehlstellung. So gesehen ist der Hallux valgus eine Folge unserer Zivilisation: In Ländern, in welchen die Bevölkerung häufiger in offenen Schuhen oder barfuß läuft sind der Hallux valgus und andere Fehlstellungen des Fußes wesentlich seltener zu beobachten. Barfußlaufen, spezielle Fußgymnastik und Schuheinlagen können helfen, einem Hallux valgus vorzubeugen. Weitere Risikofaktoren sind u.a. Spreizfußstellung, Übergewicht, Bindegewebsschwäche und Rheuma.

Mögliche Ursachen/Risikofaktoren: Genetische Veranlagung, falsches Schuhwerk, Spreizfußstellung, Übergewicht, Bindegewebsschwäche, Rheuma

 

Diagnose

Der vergrößerte Ballen am Großzehengrundgelenk, die typischen Rötungen, Schwellungen und Schwielen sind sehr charakteristisch und erlauben im Regelfall eine Blickdiagnose, welche durch die Schilderung der Beschwerden unterstützt wird. Im Rahmen einer klinischen Untersuchung erfassen wir den gesamten Gesundheitszustand des Fußes. Im Fokus stehen hierbei u.a. die Beweglichkeit der einzelnen Strukturen, die genaue Beurteilung der Großzehenstellung, der Vorfußbreite, der Schwielenbildung und möglicher anderer Fußdeformitäten, die Schmerzhaftigkeit und das Gangbild.

Diagnose: Anamnese, klinische Untersuchung, Röntgenuntersuchung

 

Konservative Therapie

Hallux valgus ist nicht gleich Hallux valgus. Die Fehlstellung ist eine Kombination aus mehreren Krankheitsprozessen, keine Situation gleicht exakt der anderen. Aus diesem Grund basiert die Behandlung bei uns immer auf einer maßgeschneiderten Strategie, die sich ganz nach der Einzelsituation und den Bedürfnissen des Fußes richtet.

Im Fusszentrum Wien bieten wir unseren PatientInnen ein vielfältiges Angebot an konservativen Behandlungen, welche bei Möglichkeit immer ausgeschöpft werden, ehe eine Operation in Betracht gezogen wird. Besonders bei frühzeitiger Diagnose und rechtzeitigem Therapiebeginn lässt sich mit einer adäquaten Therapie eine Besserung der Beschwerden erreichen, außerdem kann das Fortschreiten der Fehlstellung verlangsamt werden.

Schuhe: Sehr wichtig ist vor allem ein geeignetes Schuhwerk, um den Zehen mehr Platz und dem Fuß mehr Komfort zu bieten und druckbedingte Schmerzen zu vermeiden. Die Schuhe sollten flach, weit und nicht zu klein sein. In der Ordination zeigen wir unseren PatientInnen worauf sie bei der Schuhwahl achten müssen und welche Schuhe bei alltäglichen und sportlichen Aktivitäten am besten auf die Bedürfnisse des Fußes eingehen.

Physiotherapie, Spiraldynamik: Durch Physiotherapie und Fußgymnastik kann der Verlauf der Fehlstellung vor allem in frühen Stadien verbessert werden. Hierfür arbeiten wir im Fusszentrum Wien eng mit spezialisierten PhysiotherapeutInnen zusammen. Die Therapien zielen darauf ab das muskuläre Gleichgewicht zu stabilisieren und die Biomechanik des Fußes zu verbessern. Eine gut trainierte Muskulatur fördert die Herstellung der Form und Stabilität des beweglichen Fußgewölbes. Durch die Aktivierung und den Aufbau der Fuß- und Zehenmuskeln wird das vordere Fußgewölbe gestärkt und aufgerichtet. Daneben setzen wir im Fusszentrum Wien auf das Konzept der Spiraldynamik, ein modernes anatomisch begründetes Bewegungs- und Therapiekonzept, welches darauf ausgerichtet ist individuelle Haltungs- und Bewegungsmuster und die Koordination zu verbessern.

Orthopädietechnik: Individuell angepasste Schuheinlagen und andere orthopädische Hilfsmittel mildern Beschwerden und steigern den Komfort beim Gehen.

Konservative Therapie: Schuhberatung und Schuhwechsel, Physiotherapie, Fußgymnastik, Spiraltherapie, orthopädische Hilfsmittel (z.B. Schuheinlagen)

 

Operation

Mit den oben angeführten konservativen Therapiemaßnahmen lassen sich die Symptome bei vielen PatientInnen gut mildern. Auch der weitere Verlauf des Hallux valgus wird dadurch in vielen Fällen günstig beeinflusst. Nichtsdestotrotz ist eine kausale Therapie, also eine Behandlung, die am Ursprung des Problems ansetzt, nur im Rahmen einer Operation möglich - es gelingt leider nicht, den Hallux valgus mit einer konservativen Therapie zurückzustellen.

Wann und wie operieren?

Falls es durch konservative Therapiemaßnahmen also nicht zur gewünschten Besserung kommt, bei Erstdiagnose bereits eine (super) schwere Deformität vorliegt bzw. jeder Schritt schmerzt und die Lebensqualität merklich beeinträchtigt ist, dann kann bzw. sollte eine Operation erfolgen.

Historisch wurden über 100 verschiedene Verfahren beschrieben, die sich in vielen Details unterscheiden. Da jeder Fuß anders ist und kein Fall dem anderen gleicht, gibt es auch nicht DIE eine Hallux valgus-Operation bzw. kein Standardverfahren, das bei jedem Fuß anwendbar ist.

Im Fusszentrum Wien greifen wir je nach Ausprägungsgrad des Hallux valgus prinzipiell auf drei verschiedene etablierte Operationsverfahren zurück, wobei sich der genaue Ablauf des Eingriffs an verschiedenen Faktoren orientiert, allen voran am Schweregrad des Hallux und am Intermetatarsalwinkel (Winkel zwischen dem ersten und zweiten Mittelfußknochen, also dort wo die Fehlstellung behoben werden muss) sowie an möglichen Begleiterkrankungen und anderen Fehlstellungen (z.B. Spreizfuß, Hallux rigidus, Krallen- und Hammerzehen, Transfermetatarsalgie, Gelenkverschleiß), die während der Operation mitbehandelt werden. Die ideale Behandlungsstrategie wird individuell durch eine gründliche Diagnose erarbeitet.

Folgende Operationsmethoden kommen bei einem Hallux valgus bevorzugt zur Anwendung:

Leichter und mäßiger Hallux valgus - Austin Osteotomie

Ein leichter oder mäßiger Hallux valgus liegt dann vor, wenn der Intermetatarsalwinkel unter 16 Grad beträgt. In solchen Fällen stellt im Regelfall die Austin Osteotomie (Abb. 1) das Operationsverfahren der ersten Wahl dar.

Hierbei wird ein Hautschnitt im Bereich des Ballens durchgeführt über welchen zunächst die kontrakten Weichteile an der Außenseite vom Großzehengrundgelenk vorsichtig gelöst werden. Anschließend wird der erste Mittelfußknochen im Bereich des Köpfchens V-förmig durchtrennt. Das in Richtung des zweiten Mittelfußknochens verschobene Fragment wird mit einer kleinen Schraube fixiert. Mit einem speziellen postoperativen Schuh (Abb. 2) kann der Fuß am Operationstag auch schon wieder belastet werden. Der Schuh muss nach dem Eingriff für vier bis sechs Wochen getragen werden.

Abb. 1: Austin Osteotomie
Abb. 2: Hallux valgus Comfort Schuh

 

Schwerer Hallux valgus - SCARF Osteotomie

Bei einem schweren Hallux valgus beträgt der Intermetatarsalwinkel über 16 Grad (Abb. 3), darüber hinaus liegt neben der knöchernen Fehlstellung auch eine Kontraktur der Weichteile vor. In solchen Fällen stellt im Regelfall die SCARF Osteotomie (Abb. 4) das Operationsverfahren der ersten Wahl dar.

Zunächst erfolgt eine sparsame Entfernung des knöchernen Überbeins, anschließend wird der Mittelfußknochen hinter dem Köpfchen V-förmig durchtrennt, um das Köpfchen nach außen schieben zu können. Um die so erreichte Korrektur zu stabilisieren, wird diese mit zwei kleinen Schrauben fixiert. Um ein bestmögliches Ergebnis sicherzustellen erfolgt neben dem Eingriff am Knochen zusätzlich auch ein Weichteileingriff. Mit einem speziellen postoperativen Schuh (Abb. 2) kann der Fuß am Operationstag auch schon wieder belastet werden. Der Schuh muss nach dem Eingriff für etwa vier Wochen getragen werden.

 

 

Abb. 3: vor der Operation
Abb. 4: nach der Operation

Super schwerer Hallux valgus - Lapidus Arthrodese

Bei einem sehr schweren Hallux valgus beträgt der Intermetatarsalwinkel über 20 Grad, darüber hinaus liegt neben der knöchernen Fehlstellung auch eine Kontraktur der Weichteile vor. In solchen Fällen stellt im Regelfall die Lapidus Arthrodese das Operationsverfahren der ersten Wahl dar.

Es wird ein Hautschnitt im Bereich des Ballens durchgeführt über welchen zunächst die kontrakten Weichteile an der Außenseite vom Großzehengrundgelenk vorsichtig gelöst werden. Anschließend wird ein zweiter Hautschnitt gesetzt. Über diesen erfolgt der Zugang zum Tarsometatarsalgelenk, welches in einem weiteren Schritt "entknorpelt" wird. Der erste Mittelfußknochen wird in die richtige Stellung gebracht, anschließend wird die Arthrodese mit zwei Schrauben oder mit einer Schraube und einer Platte fixiert. Nach der Operation wird der Fuß in einem Gips oder in einem stabilen Stiefel für sechs Wochen ruhiggestellt. 

Narkose: Operationen am Vorfuß werden standardmäßig in Sedierung mit Leitungsanästhesie durchgeführt. Es werden also gezielt jene Nerven des Fußes betäubt, welche die Schmerzen ohne Lokalanästhetikum weiterleiten würden.

 

Nachbehandlung

Allgemeine postoperative Maßnahmen zur raschen Besserung sind Schonen, Hochlagern und Kühlen (drei- bis viermal täglich á zehn Minuten). Schonen bedeutet, dass in den ersten zehn bis 14 Tagen nach der Behandlung nur die notwendigsten Tätigkeiten verrichtet werden sollten, ansonsten sollte dem Fuß nach der Operation, die ja eigentlich eine Verletzung darstellt, ein bestimmter Zeitraum zur Heilung und Regeneration gegeben werden. Beim Sitzen und Liegen sollte das operierte Bein nicht herabhängen, sondern vorsichtig erhöht abgelegt werden.

 

Physiotherapie - Grundvoraussetzung, um rasch wieder mit beiden Füßen im Alltag zu stehen

Physiotherapie und Fußgymnastik nach der Operation sind für die muskuläre Balance und zur Stabilisierung und Kräftigung des Fußes besonders wichtig. Die Physiotherapie trägt wesentlich dazu bei, dass PatientInnen nach etwa acht Wochen ein gesundes, sicheres und normales Gangbild erreichen und später wie gewohnt Sport treiben können. Die Therapie erfolgt bei uns durch spezialisierte PhysiotherapeutInnen und wird vorab so organisiert, dass es einen nahtlosen Übergang zwischen allen Behandlungsphasen gibt. Auf diese Weise legen wir von Beginn an die Weichen dafür, dass unsere PatientInnen nach der Operation schnellstmöglich zu ihren alltäglichen und sportlichen Aktivitäten zurückkehren können.

 

Sport

Im Alltag und beim Sport sind nach dem Eingriff und bei adäquater Nachbehandlung keine Einschränkungen zu erwarten. Sportlich aktive PatientInnen können nach einer gewissen Karenzphase wieder mit dem Training beginnen.